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Nachlese - Podiumsdiskussion: Gehört der Greif ins Museum?

Read 6475 times Zuletzt geändert am Donnerstag, 18 Juli 2019 19:13
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Im Zuge der Bauarbeiten für den Stadtbahntunnel wurde 2010 das Leibgrenadierdenkmal abgebaut, das seit 1925 auf dem Europaplatz stand. Mit dem näher kommenden Ende der Bauarbeiten stellt sich die Frage, ob die Granitsäule mit dem Greif wieder errichtet werden soll.

Für eine Wiedererrichtung spricht der Wunsch, das traditionelle Stadtbild so weit als möglich zu erhalten und insbesondere Denkmäler zu schützen und zu bewahren.

Dagegen spricht die politische Intention des Denkmals: Es erinnerte nicht an die Gefallenen, sondern rühmt die Schlachten, in denen die Leibgrenadiere gekämpft haben. Es sollte dazu ermutigen, ähnlich heldenhaft zu kämpfen wie die Soldaten des Leibgrenadierregiments 109 in den Schlachten des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71 und des Ersten Weltkrieges.

Sollte ein solches Denkmal in unserer Zeit wieder aufgebaut werden?

 

Braucht es eine künstlerische Kommentierung/Veränderung? Oder gehört der Greif schlicht ins Museum, in dessen Garten er seit 2014 ausgestellt ist?

Zusammen mit dem  Kulturzentrum jubez Karlsruhe hatten wir zum  8.5.2018 zu einer Podiums- und Publikumsdiskussion eingeladen, diesen Fragen nach zu gehen. Auf dem Podium diskutierten Dr. Albert Käuflein (Kulturbürgermeister der Stadt Karlsruhe), Ulrich Beer-Bercher (Initiative für ein Friedensdenkmal in Karlsruhe) und Dieter Bürk (Deutscher Gewerkschaftsbund). Durch den Abend führte Aydin Mir Mohammadi (Initiative für ein Friedensdenkmal in Karlsruhe). Die Diskussion moderierte Elske Bechthold (Werkstatt für gewaltfreie Aktion).

Trotz des schönen Wetters und zahlreicher Konkurrenzveranstaltungen folgten über 30 Personen der Einladung. Darunter auch sehr engagierte Mitarbeiter des Stadtarchivs und Denkmalamts, der Parteien, Vertreter der Bürgervereine aber auch Karlsruher, die ohne spezifischen Hintergrund einfach nur neugierig auf das Thema waren. Einige BesucherInnen der Veranstaltung hatten sich sogar offensichtlich inhaltlich auf den Abend vorbereitet. Diese breite Mischung Interessierter ermöglichte eine ausgesprochen spannende Diskussion mit dem Wunsch diese fortzusetzen.

Deutlich wurde, dass  der Wiederaufbau des Denkmals, nach dem es 10 Jahre lang eingelagert war, eine öffentliche Wirkung hat, die es zu beachten gilt. Dass es gegen die Wiedererrichtung auch Bedenken gibt, hatte die Stadtverwaltung bisher nicht wahrgenommen. Bürgermeister Käuflein plädierte in der Veranstaltung für eine Kommentierung des Denkmals, die bisher noch nicht geplant war. Auch die Gegenüberstellung eines Friedensdenkmals wäre eine Überlegung wert.

Interessant die Bandbreite an Emotionen, die mit dem Leibgrenadierdenkmal verbunden sind. Für die einen ist die Wiederaufstellung eines Denkmals mit derart chauvinistischem und militaristischem Charakter nur schwer erträglich. Sie erinnerten daran, dass nach dem 2. Weltkrieg auch eindeutig nationalsozialistische Denkmäler und Symbole aus dem Stadtbild entfernt wurden.  Diesbezüglich besteht heute auch nicht der Wunsch diese wieder aufzustellen, um eine Auseinandersetzung mit dem Faschismus zu ermöglichen. Warum also das Leibgrenadierdenkmal wieder aufstellen?

Andere verbinden mit dem Denkmal eher positive Erinnerungen an verspernde und Bier trinkende 68er auf den Stufen zur Säule. Kann man das Denkmal nicht einfach als Platz gestaltendes Element betrachten?

Entgegen der ursprünglichen Absicht der Erbauer wurde es  bis zu seinem Abbau 2010 für Gedenkfeierlichkeiten am Volkstrauertag genutzt und  damit auch mit dem Gedenken an die Kriegsopfer - auch unter den ehemaligen Gegnern - verbunden. Aber ist ein Denkmal mit derart ästetischer Wucht wirklich dafür geeignet?

Die Frage wurde gestellt, ob das Leibgrenadierdenkmal auf dem Europaplatz Anlässe zur Auseinandersetzung mit der Vergangenheit schaffen kann. Vorgeschlagen wurde in diesem Zusammenhang auch es im Museum für Stadtgeschichte zu präsentieren, an einem Ort, der viel besser für einen solchen Diskurs geeignet ist. 

Eine weitere Idee war es, das Denkmal bei der "neuen" Grenadierkaserne wieder aufzubauen. Dort steht ja noch das alte Leibgrenadierdenkmal.

Andere wiesen darauf hin, dass es in Deutschland mehrere 100000 Kriegs- und Kriegerdenkmäler gibt und diese auch in Karlsruhe die größte Zahl der Denkmäler stellen. Ist hier nicht eine "Entrümpelung" angesagt, um Platz für Neues und insbesondere auch für ein explizites Friedensdenkmal zu schaffen?

Mit der Diskussion um ausdrückliche Friedensdenkmäler sind wir in Karlsruhe nicht alleine. Im Rahmen des Projekts Discover peace wurden in 7 Europäischen Städten Stadtrundgänge entwickelt um die Spuren aktiven Einsatzes für den Frieden sichtbar zu machen.

Und für das aktuelle Projekt DenkMalFrieden (siehe Aufruf im Anhang) werden Ideen Ideen für Friedensdenkmäler aus unterschiedlichen europäischen Städten zusammengetragen. Es wäre schön wenn wir uns aus Karlsruhe daran beteiligen würden.

Infos zum Leibgrenadierdenkmal

(Fotos: Greif im Garten des Prinz-Max-Palais, Mueck, weilipedia; alle anderen Aydin Mir Mohammadi)